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Artikel von Oleksii Makeiev

https://www.faz.net/aktuell/politik/ukraine/oleksii-makeiev-mut-rettet-europa-vor-russland-110205439.html

https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/russlands-krieg-nur-mut-wird-europa-retten/ar-AA1wPuS3?ocid=msedgntp&pc=U531&cvid=1ef994f0158a463f86320be61092c902&ei=51

2.1.2025

 

Ein ukrainischer Soldat an der Front nahe Tschassiw Jar im November© EPA

 

Als Diplomat bin ich kaum berechtigt, die Bundestagswahl zu kommentieren. Als Europäer und Demokrat fühle ich mich aber zu einer Äußerung verpflichtet. Hier kommt keine Agitation, sondern die Perspektive eines Außenseiters, der auf der Seite der Demokratie steht.

Wir werden angegriffen. Spätestens seit dem 24. Februar 2022 sollte das nicht nur uns Ukrainern, sondern auch uns Europäern klar sein. Aber wenn ich die Wahlkampfdiskussionen verfolge, fällt mir auf, dass über den Krieg als Nebensache geredet wird. Etwas mehr ist vom Frieden die Rede. Aber beides wird im Wahlkampf ausgeklammert – als ob nicht zwei Flugstunden von Deutschland entfernt täglich russische Raketen einschlügen. Als ob es keine Rolle spielen würde, dass die Niederlage der Ukraine laut dem Kiel Institut für Weltwirtschaft für Deutschland zehnmal teurer sein könnte als die Unterstützung für die Ukraine. Als ob dieses Lose-lose-Szenario für die Renten- oder Steuersysteme, über die diskutiert wird, nichts bedeuten würde.

 

Oleksii Makeiev ist Botschafter der Ukraine in Deutschland© dpa

 

Es ist Krieg. Und im Krieg lohnt es sich, der Außen- und Sicherheitspolitik Priorität einzuräumen – weil der Krieg ohnehin alles beeinflusst. Denn wie kann man über Migration reden, ohne die Ursache der Millionenmigration aus der Ukraine nach Deutschland zu erwähnen? Also den russischen Krieg. Wie kann man über die zusätzlichen Mittel für die Militärhilfe für die Ukraine diskutieren, ohne den Mut, die in der EU eingefrorenen 210 Milliarden Euro des russischen Regimes zu verwenden? Und wie kann man für die Stärke des Rechts eintreten, ohne russische Kriegsverbrecher zur Rechenschaft ziehen zu wollen? Was für eine bessere Zukunft bereitet man den Kindern, wenn man die von Russland verschleppten ukrainischen Kinder vergisst?

 Putin will deutsche Angst und Selbstverzwergung

 Der Angriffskrieg Russlands steht in den Wahlprogrammen der demokratischen Parteien fast zwischen den Zeilen. Und gleichzeitig steht Russland mit zwei Zeilen auf dem Wahlzettel. Wer die äußere Sicherheit Deutschlands als Wahlkampfthema ausklammert, riskiert, dass rechtsextreme Demokratiefeinde nicht als Sicherheitsrisiko wahrgenommen werden. Die Kriegstreiber, die sich als Friedensbewegung ausgeben, sind heute genauso gefährlich wie Rechtsextremisten. Diejenigen, die Gebiete in der Ukraine opfern wollen, opfern damit mich persönlich, meine Familie, meine Freunde in der Ukraine. Und genauso werden sie ihre eigenen Wähler opfern.

 Wer Angst hat, mit einem ernsthaften Gespräch über den Krieg Wähler zu verlieren, sollte in Kriegszeiten überhaupt keine Politik machen. Und schon gar nicht darf man Angst verbreiten, um Wählerstimmen zu gewinnen. Denn nach dem 23. Februar kommt der 24. Februar. Und Russland führt seinen Krieg gegen Europa weiter – und nichts motiviert Putin dazu mehr als deutsche Angst, Selbstabschreckung und Selbstverzwergung. Dazu gehört die Vorstellung, dass der Machtwechsel in Amerika am 20. Januar für Deutschland mehr bedeutet als der 23. Februar. Genau das will Putin von Deutschland – den Glauben an den „Stellvertreterkrieg“ Russlands gegen die USA, an die Bedeutungslosigkeit Europas und an das völlige Fehlen der Subjektivität der Ukraine.

 Alles ist falsch. Die ukrainischen Verteidigungskräfte sind immer noch in der Region Kursk. Putin hat nach der Lieferung von Leopard und Marder keine Atomwaffen eingesetzt. Putin wird auch in Zukunft keine Atomwaffen einsetzen, weil dieses russische Roulette für ihn zu 100 Prozent selbstmörderisch ist. Und wir alle wissen, was ein Vertrag mit Putins Unterschrift wert ist. Dass man statt eines „Vertrags“ einen „Deal“ vorschlägt, ist den Russen egal. Früher oder später versteht jeder Leader in der demokratischen Welt: Es geht nicht um einen „deal with Russia“, sondern um „how to deal with Russia“.

 Gemeinsam sind Europas Demokratien stark genug

 Wer heute in Europa kandidiert, auf welcher Ebene auch immer, sollte nicht nur um Stimmen kämpfen, sondern mit einer starken Stimme für Europa. Und einer klaren Botschaft.

 Wir sind im Krieg. Und es ist ein Krieg gegen Europa. Russland ist ein Feind. Russland hat den Krieg gewählt. Aber wir sollten keine Angst haben, sondern uns gemeinsam und mutig der Herausforderung stellen. Wir sind stark genug dafür. Es kann sein, dass wir jetzt unsere Gürtel enger schnallen. Aber es geht vor allem darum, dass wir den ukrainischen Soldatinnen und Soldaten helfen, den Frieden in Europa zurückzuerkämpfen. Damit niemand deutsche Hubschrauber über der Ostsee angreifen darf und damit wir sicher sein können, dass in deutschen Flugzeugen keine brennenden DHL-Pakete aus Moskau sind.

Es geht um Stärke. In der Ukraine geht es um Europa — und es ist in unserem gemeinsamen Interesse, dass die Ukraine gewinnt. Deswegen müssen wir die Führungsrolle übernehmen. Es geht um Verantwortung. Und es sind nicht wir, die Angst haben müssen. Es ist Russland, das sich besser von uns fernhalten sollte.

 Wer den Mut findet, solche Worte zu sagen, der gewinnt mehr als ein Amt. Dieser Mut hat Churchill von Chamberlain unterschieden. Und es ist dieser Mut, der Europa retten wird.